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Aktuelle Updates von Prof. Dr. Martin Schwab 08.03.2025 STRAF- UND UNTERSUCHUNGSHAFT – EINIGE GRUNDSÄTZLICHE BEMERKUNGEN
Liebe Community,
Einige kritische Rückmeldungen meiner Leser (teils in den Kommentarspalten meiner Facebook-Beiträge, teils mündlich) veranlassen mich zu einer Reaktion.
Eingewendet wurde, es sei nun einmal kein Zuckerschlecken, im Gefängnis zu sitzen. Da könne man keinen Wellness-Urlaub erwarten. Ich habe mir im Zusammenhang mit meinen diesbezüglichen Beiträgen sogar die Bezeichnung „Krawalljurist“ anhören müssen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, nachdrücklich um ein verstärktes Problembewusstsein für die Notwendigkeit und die Funktionsbedingungen eines rechtsstaatlichen Straf- und U-Haftvollzuges zu werben.
1. Niemand redet davon, dass ein Gefängnisaufenthalt die Qualität eines Wellness-Urlaubes erlangen muss. Wohl aber sind die Grundbedingungen einer menschenwürdigen Existenz zu sichern. Denn die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch die Würde rechtskräftig verurteilter Straftäter. Und erst recht die Würde eines Menschen, der in U-Haft sitzt und für den die Unschuldsvermutung gilt.
2. Damit die Grundbedingungen eines menschenwürdigen Haftvollzuges sichergestellt sind, gibt es Gesetze, in denen die Anforderungen an die Haftbedingungen geregelt werden. Dann muss ich darauf bestehen dürfen, dass diese eingehalten werden. Das ist gerade bei meiner Mandantin Johanna nicht immer der Fall. Nur zwei Beispiele: Der Hofgang dauert – entgegen § 16 Abs. 3 Hessisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz (HUVollzG) – beileibe nicht immer 60 Minuten, sondern ist oft kürzer. Die Dreiviertelstunde Sport, die die JVA Frankfurt III Johanna wöchentlich zugesteht, sind gemessen am Maßstab des § 23 HUVollzG eindeutig zu wenig. Und wenn Johanna sich bei Kälte trotz Fieber nackt ausziehen muss, ist eindeutig die Gesundheitsfürsorgepflicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HUVollzG verletzt.
Der Europarat hat eine vielbeachtete Empfehlung herausgegeben: die Europäischen Strafvollstreckungsgrundsätze (besser bekannt als European Prison Rules). Diese beschreiben sehr anschaulich, welche Gewährleistungen Menschen auch in Haft beanspruchen können. Jene Grundsätze teilweise auch von Gerichten als Maßstab für die Bewertung vollzugsrechtlicher Sachverhalte herangezogen. Die simple Leitidee lautet: Wenn der Staat Menschen, egal aus welchem Grund, in seiner Gewalt hält, muss er für sie sorgen. Punkt.
3. Folter in der modernen Definition beginnt nicht erst bei der Streckbank aus dem Mittelalter. Folter – und zwar psychische Folter – liegt vielmehr bereits dann vor, wenn man den Gefangenen das Gefühl gibt, hilflos der Willkür der JVA-Bediensteten ausgesetzt zu sein. Und genau das passiert mit Johanna. Und zwar fortlaufend. Die fatale Konsequenz: Wenn sie Schritte auf dem Gang hört, wenn sie, in der Zelle sitzend, den Schlüsselbund eines auf dem Gang vorbeilaufenden JVA-Bediensteten klappern hört, zuckt sie zusammen, weil ihr dadurch das Trauma ihrer Hausdurchsuchungen und ihrer Verhaftung wieder vor Augen geführt wird. Gleiches passiert, wenn Mitgefangene nachts auf ihren Zellen lärmen. Johanna hat mir heute erzählt, dass diese Flashback-Erfahrungen sich aktuell verschlimmern.
Diese Retraumatisierung ist in meinen Augen Folge dieses Gefühls des Ausgeliefert-Seins. Ich habe Johanna am 19.2.2025 in der JVA Frankfurt III besucht. Die Türen zum Besprechungsraum wurden von einer sehr netten Dame geöffnet, die auch sonst immer sehr freundlich zu Johanna ist. Wenn alle Bediensteten der JVA Frankfurt III in gleicher Weise respektvoll mit Johanna umgehen würden, wäre es zwar immer noch schlimm genug, dass Johanna nicht in Freiheit ist. Aber ich sähe dann keinen Anlass, mich medial so lautstark zu Wort zu melden. Und dann gäbe es nach meinem Eindruck auch die Flashback-Erfahrungen nicht.
07.03.2025 Johanna wurde im Laufe der Woche, also vor wenigen Tagen, mitgeteilt, dass es jetzt eine Anordnung der Hausleitung gebe, dass sie morgens vor den Verhandlungstagen nicht mehr duschen darf. Das müsse sie, so hieß es, nachmittags/abends nach ihrer Rückkehr aus dem Gerichtssaal nachholen. Nachmittags und abends duschen aber all jene Mitgefangenen, die tagsüber in der JVA einer Arbeit nachgehen. Und es gibt nur 2 Duschen für 27 Insassinnen. Der Andrang ist abends also deutlich größer als morgens. Und Johanna fühlt sich, was sie gegenüber der JVA auch kommunizierte, unwohl, wenn sie in ungepflegtem Zustand in die Verhandlung muss. Eine Begründung für diese Maßnahme. wurde Johanna weder mitgeteilt, noch ist eine solche Begründung überhaupt vorstellbar. Es handelt sich erneut um pure Schikane.
Mehrere Insassinnen stritten sich laut auf dem Gang. Johanna befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade in der Zelle einer Mitgefangenen und unterhielt sich mit ihr. Beide waren also an dem Streit nicht beteiligt. Da die streitenden Mitgefangenen auf Anordnung der JVA-Bediensteten ihren Disput nicht beendeten, wurde für den gesamten Gang Einschluss angeordnet. Johanna wurde also von einer Kollektivstrafe getroffen, an deren Anlass sie in keiner Weise beteiligt war. Johanna selbst hat noch nie mit einer Mitgefangenen Streit gehabt.
Johanna lässt ausrichten, dass alle liebevollen Briefe, die sie von ihren Freunden und Unterstützern bekommt, Nahrung für ihre Seele sind. Traurig ist allerdings, dass ausgerechnet die Briefe von Johannas Verlobtem nicht zu ihr durchdringen. Ich habe dafür keine andere Erklärung als die, dass die JVA ihr diese Briefe gezielt vorenthält.
02.03.2025 Per Aushang auf dem Zellengang wurde eine Art Kreativ-Workshop angeboten. Johanna interessierte sich dafür. Ihr wurde mitgeteilt, sie könne nicht teilnehmen, das sei nur für Interessentinnen mit einem Alter unter 30 Jahren. Das wirkte schon merkwürdig. Dann aber erfuhr Johanna (selbst 54 Jahre alt), dass eine 58 Jahre alte Mitgefangene an dem Workshop teilnehmen darf. Eine Begründung, warum Johanna von der Teilnahme ausgeschlossen wurde, wurde ihr nicht gegeben. Es wurde nur beteuert, ihr Ausschluss habe weder etwas mit ihrer Person noch etwas mit ihrem Fall zu tun.
05.02.2025 UPDATE VON JOHANNA – JETZT DARF SIE VOR DEN VERHANDLUNGSTERMINEN NOCH NICHT EINMAL MEHR DUSCHEN
Seit meinem letzten Update habe ich über die Haftbedingungen von Johanna, meiner Mandantin im Frankfurter Prinz-Reuß-Prozess, folgende Neuigkeiten zu berichten:
Es war Verhandlungstag. Johanna litt schon den ganzen Tag unter Übelkeit. Im Gerichtssaal wurde sie von den (sehr freundlichen!) Justizbeamten, die dort Aufsicht führen, mit Salz-Crackern versorgt, weil sie das aus der JVA mitgebrachte Essen nicht verzehren konnte. Abends, als sie zurück in der JVA war, bat sie um Zwieback. Das wurde ihr verweigert! Die JVA-Bediensteten teilten ihr lakonisch mit, Johanna könne sich Zwieback über den Einkauf beschaffen. Bis der Zwieback dann eingetroffen wäre, wären zwei Wochen vergangen. Johanna litt aber gerade in diesem Augenblick unter Übelkeit! Sie wurde ohne Zwieback in die Zelle eingeschlossen. Den JVA-Bediensteten war es egal, ob sich Johanna in der Zelle würde übergeben müssen (was zum Glück ausblieb).
Zur zeitlichen Einordnung: Das war derselbe Tag, als Johanna sich nach ihrer Rückkehr in die JVA bei offener Außentür und kalten Außentemperaturen trotz Fieber nackt ausziehen musste. Ich habe davon allerdings erst erfahren, nachdem ich mein letztes Update gepostet habe.

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